Himmelsglobus

Beim Eintritt sind die Hüte abzunehmen

Waage mit Skorpion-Aszendent: Wladimir Putin

Quelle: Wikipedia („Vladimir Putin – 2006“ von Russian Presidential Press and Information Office – kremlin.ru. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons)

Dieser Text erschien erstmals im Jahre 2000 in den Berliner Seiten der FAZ. Wie sich hier zeigt, kann die Astrologie durchaus eine hellsichtige Prophetin sein.

Ist Wladimir Putin sexy? Als Waage kann er beträchtlichen Charme entwickeln. Aber wir wollen nicht vorgreifen: Die Machtfülle, die er in den Händen hält, ist auf jeden Fall attraktiv. Er ist nicht nur der mächtigste Mann, der in letzter Zeit die politische Bühne betreten hat, er ist auch der geheimnisvollste. Zwei Tage bevor sich hier in Deutschland die Sonne verfinsterte, am 9. August 1999, ernannte Boris Jelzin einen Mann zum Premierminister, der dem Ausland Hekuba war. Zwar rief dieses Datum schon einige esoterische Verschwörungstheoretiker auf die Monitore des Internets, die immer noch vom Antichristen raunen, aber die Welt befasste sich nicht weiter mit diesem farblosen Debütanten.

Erst als Putin die Präsidentenwahl im März gewonnen hatte, begann man sich hier zu fragen, wer dieser Mann ist, der aus dem eisigen Schweigen des KGB in das Präsidentenamt katapultiert wurde. Sofort beugten sich nicht nur die Kreml-Astrologen über sein Horoskop, um diesen zunächste unscheinbaren Mann mit der hölzernen Mimik zu entziffern.

Wladimir Putin ist am 7. Oktober 1952 in Leningrad geboren. Das zu erfahren ist nicht schwer. Dagegen war die Uhrzeit, die für einen Astrologen so wichtig ist, weil sie den Aszendenten und die Häuserverteilung bestimmt, trotz intensivster Recherche, auch in Russland, bislang nicht zu ermitteln. Es trat sogar das Gerücht auf, dass Putin in bester Geheimdienstmanier gleich mehrere Geburtsdaten verbreiten ließ. Auf Anfragen in der Umgebung Putins reagierte diese verschlossen und furchtsam. Aber die Astrologie teilt die Leidenschaft des Dechiffrierens mit dem KGB.

Einer der originellsten und einflussreichsten Astrologen der vergangenen fünfzig Jahre, Wolfgang Döbereiner, hat eine Methode entwickelt, die den Aszendenten auf Grund biographischer Details ziemlich genau rekonstruieren kann. Aber was wusste man schon über Putin? Diesem Informationsmangel hat er jetzt mit einer gewissen Umsicht selbst abgeholfen. In den vergangenen Tagen erschien im Heyne-Verlag die deutsche Übersetzung einer Sammlung von Interviews mit dem Titel “Aus erster Hand”, die dem Leser verspricht, Putin näher zu kommen. In Russland kam der Band Anfang dieses Jahres in einem Verlag Boris Beresowskis heraus, der auch schon die TV-Wahlkampagne für Putin geführt hatte. Man könnte das Buch deshalb als Werbebroschüre bezeichnen, die Putin ein neues Image verpassen soll. Das hat er allerdings dringend nötig. Mit einem steifleinenen KGB-Agenten, der am liebsten auf Panzer und in U-Boote klettert, wäre auf die Dauer kein Staat zu machen. Als verbohrter Kriegstreiber macht er auf der internationalen Bühne keine bella figura.

Also plaudert hier ein junger, selbstverständlich demokratisch gesinnter Regierungschef so locker und durchtrainiert wie Bill Clinton, so volkstümlich wie Tony Blair und mindestens so offen wie Gerhard Schröder über seinen Werdegang, seine Ansichten, seine Freunde und Förderer und, erstaunlich genug, über seine historische Mission. Er reiht sich damit ein in die unbefangene Nachkriegsgeneration der Regierenden. Auch das private sieht nett aus. Unter den Familienfotos findet sich eines, das den jungen Putin zeigt, wie er mit zwei nackten Kleinkindern, seinen Töchtern, auf einem Sofa herumtollt. Putin erzählt viel, aber er sagt kein einziges Wort zu viel. Von einer autorisierten Biographie sind keine großen Enthüllungen zu erwarten. Aber für den Astrologen sind scheinbar banale Einzelheiten, wie etwa der Zeitpunkt der Eheschließung, der Deutschland-Aufenthalt, die Geburt seiner Kinder, der Brand auf seiner Datscha, oder der schwere Unfall seiner Frau aufschlussreich für die Bestimmung seines Aszendenten. Putin sagte einmal, lachend, wie es heißt, dass sein großes Vorbild Napoleon sei. Ein Freund aus der Petersburger Zeit erwähnt allerdings ein winziges Detail, das auf ein ganz anderes Idol schließen lässt. 1992 konnte Wladimir Putin sich als stellvertretender Bürgermeister in Petersburg ein Bild für sein Büro aussuchen. Er wählte ein seltenes Porträt Peters des Großen, das den Herrscher als alternden Mann darstellt, der melancholisch auf sein Lebenswerk, ein mit Blut, Schweiß und Tränen zusammengezwungenes Imperium zurückzublicken scheint.

Der französische Marquis Astolphe de Custine, der 1839 Russland bereiste, schreibt über diesen Zaren: “Vor etwas mehr als hundert Jahren dictierte den Russen Peter der Große Höflichkeitsgesetze für jede Classe der Gesellschaft, und er befahl Zusammenkünfte gleich den Bällen und Assembleen in dem alten Europa. Dann zwang er sie, ihre Frauen in dieselben mitzubringen und ermahnte sie, die Hüte bei dem Eintritte in das Zimmer abzunehmen. Während aber dieser große Lehrer seines Volkes die Bojaren und Handelsleute von Moskau in der kindischen Höflichkeit unterrichtete, erniedrigte er sich selbst zu der Ausübung der gemeinsten Gewerbe und zwar vor allen Dingen zu dem des Henkers. Man hat gesehen, daß er an einem Abend zwanzig Köpfe eigenhändig abschlug und er rühmte sich seiner Geschicklichkeit in diesem Handwerk, das er mit seltener Rohheit ausübte. Und den Mann, von welchem sie solche Lehren empfingen, haben sie zu ihrem Gott, zu dem Musterbilde des russischen Fürsten für ewige Zeiten gemacht!”

Putins Karriere gleicht einem funkelnden Stern, der sich erst hinter einer dicken Wolke vorarbeiten musste. Dieser Stern, seine Sonne, steht in der Waage, von der man auch in astrologischen Kreisen eine andere Vorstellung hat, als das, was der Tschetschenienfresser bietet. Die militärische Härte Putins offenbart einen Charakterzug, den man der Waage eigentlich nicht zuschreibt. Höflich, diplomatisch, eitel, lavierend, vielleicht unschlüssig, ein Organisationstalent, ja, darauf kann man sich einigen. Schon Wolfgang Döbereiner weist auf eine ganz andere Seite dieses Zeichens hin: Als Widerpart des Widders übernimmt die Waage dessen Aggressivität. Aber diese Aggression wird nicht direkt ausgelebt, sondern rein instrumentell eingesetzt. Für Döbereiner, der die Waagen nicht besonders schätzt, gehört dieses Zeichen sogar zu den grausamen des Tierkreises, da sie ihren hoch gelobten Gerechtigkeitssinn ohne Mitgefühl durchsetzt. Sie macht sich dabei die Hände nicht schmutzig. Deshalb tummeln sich auch so viele Waagen im Generalstab oder in der Staatsanwaltschaft. Auch Putin hat Jura studiert, angeblich aus opportunistischen Gründen, aber doch ganz im Einklang mit den markanten Eigenschaften der Waage.

Auch wenn der Aufstieg Putins so plötzlich und strahlend wie ein Komet wirkt: Es ist schon ein Wunder, dass er es überhaupt geschafft hat. Seine Mutter war bei seiner Geburt 41 Jahre alt, zwei Brüder waren vor ihm im zarten Alter gestorben. Die ökonomischen Verhältnisse der Eltern waren im Stalinismus der Nachkriegszeit mehr als elend. Man könnte meinen, dem ältlichen Paar sei ein Wechselbalg in die Wiege gelegt worden. In zwanzig Quadratmetern einer Gemeinschaftswohnung im zweiten Hinterhof wuchs das Kind auf und lernte, was es bedeutete, Ratten in die Enge zu treiben: Es kann vorkommen, dass sie sich plötzlich umwenden und ihren Verfolger angreifen. Putin fühlte sich in diesem Milieu trotzdem wohl, solange er der “ungekrönte Anführer” seiner Hinterhofbande blieb, wie er es formuliert. Solche frühen Existenz- und Revierunsicherheiten drücken sich durch die Position der Sonne im zwölften Haus aus. Das bedeutet gewöhnlich, dass Kindheit und Jugend vom bittersten Verzicht gezeichnet sind. Bei Putin stellt sich noch der beinharte Saturn vor die Sonne und den Merkur. Als sei das nicht genug, vernebelt der schwer fassbare Neptun die Konstellation mit seinen Schwaden. Wäre es nicht das Horoskop eines Menschen, sondern eines Ortes, dann könnte man auf eine königliche Stadt schließen, repräsentiert durch die Sonne, deren Fundamente mit Gewalt in ein eisiges Meer gerammt wurden – das wäre die Symbolik des Saturn und des Neptun – und die trotzdem unter wechelnden Namen einen lebhaften Sinn für Waren- und Ideenaustausch entwickelt. Auf Letzteres weist der bewegliche Merkur im Element der Luft hin. Diese Konstellation wäre die vollkommene Entsprechung für Petersburg.

Damit hat man schon einen ersten Umriss von der Gefühlslage des Kindes Putin. Man kann verstehen, welche Kräfte eine Seele aufbringen muss, die sich für etwas Besonderes hält, die sich aber immer auf unsicherem Boden befindet. Entweder muss sie sich durch Anpassung wie ein Segler treiben lassen oder sie sucht sich um jeden Preis zu verankern. Das betrifft die Lebens- oder Ausdruckskraft des Geborenen, die nur durch eine starke Anlage, quasi eine gute genetische Ausstattung, kompensiert werden kann. All diese Gründe lassen darauf schließen, dass Putins Aszendent der Skorpion ist, ein Zeichen, das nicht nur Katastrophen, sondern auch ideologische Paradigmenwechsel überlebt. Das hat Putins Abschied aus dem Geheimdienst 1992 und seine Ankunft in der Petersburger Lokalpolitik eindrucksvoll bewiesen. Der Herrscher dieses Skorpion-Aszendenten ist Pluto, der Herr der Unterwelt und des Reichtums. Er steht bei Putin genau in der Himmelsmitte im Löwen und symbolisert dort den unbedingten Willen zur Macht. Der Mars im Schützen unterstützt ihn dabei noch mit einem gewissen Enthusiasmus aus dem zweiten Haus heraus. Auf der physischen Ebene bedeutet diese Konstellation den Schnitt ins eigene Fleisch, aber auf Schütze-Art sportiv und mit hehren Zielen. Putin bezeichnet sich selbst mit gewissem Stolz als Rowdy, also als Schläger. In seinem Selbstbewusstsein, das er ebenfalls aus diesem Hause bezieht, ist er nicht gerade zimperlich. Insgesamt offenbart dieser temperamentvolle Mars mit dem guten Draht zum Pluto eine enorme Energie und Zielstrebigkeit, aber auch ein inneres Feuer, das er gut beherrscht und das nicht nur auf Frauen anziehend wirkt. So könnte er noch Charisma entwickeln.

Uranus im neunten Haus im Krebs deutet auf Entwurzelung hin. Putin liebt Grenzüberschreitungen jeder Art, auch wenn sie riskant sind. Ein Führungsoffizier hat ihm während der Ausbildung sogar “mangelnde Ernsthaftigkeit in Gefahrensituationen” bescheinigt. Ob ihn das für eine Spionagetätigkeit in der DDR prädestinierte? Jüngst wurde behauptet, er sei ein besonderer Liebhaber Deutschlands. Sein Uranus zeigt aber, dass er überhaupt gern ins Ausland reist – egal wohin.

This entry was published on January 12, 2015 at 9:13 am. It’s filed under Politik and tagged , . Bookmark the permalink. Follow any comments here with the RSS feed for this post.

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