Am 2o. März schob sich der Mondschatten über die Sonne, und ein aschgraues Licht legte sich über die Landschaft. Astrologisch gesehen wechselte die Sonne in den Widder, der den Reigen der Zeichen anführt. Es beginnt ein neues Jahr und in Persien zum Beispiel wurde Neujahr 2015 an diesem Abend gefeiert.
Der Archetyp des Widders ist Jason, dem es gelang, auf der Jagd nach dem goldenen Vlies die Jeunesse doree der griechischen Königshäuser auf seinem Schiff, der Argo, zu versammeln. Er suchte im goldenen Vlies ein Ideal. Aber bereits die Reise dorthin versprach etwas, auf das auch die Ritter des Mittelalters schon ganz scharf waren: Frau Aventiure. Der berühmteste unter ihnen, und ganz sicher auch ein Widder, war ein tumber Tor, dem am Artushof erst mal Manieren beigebracht werden mußten, bevor man ihn auf die Suche nach seinem Ideal schickte.
Parzival hat seinen Gral gefunden und Jason sein goldenes Vlies. Das gelingt nicht allen Widdern. Aber in jedem von ihnen steckt ein feuriger Idealist, auch wenn seine Abenteuer weniger glanzvoll sind und so mancher Widder wie ein abgeschlaffter Zyniker daherkommt, weil er sein Ideal unterwegs vergessen hat. Geht es ihm um die Gerechtigkeit, wird er für die Rechtlosen kämpfen, aber nicht etwa aus Mitleid, denn diese christliche Tugend mußte Parzival erst erlernen. Überhaupt ist der Widder ein unermüdlich Lernender, weil seine Neugier so rastlos ist wie sein Temperament.
Man tut dem Widder unrecht, wenn man ihn umstandslos mit seinem Planetenherrscher Mars, dem Gott der Krieges, identifiziert. Freilich, charmant ist dieser Dämon nicht. Aber, was er seinen Kindern verleiht, ist Elan und Tatkraft, was so manches Eis zum Tauen bringt. Als männliche Tugenden werden diese Eigenschaften bewundert. Frauen dagegen, von denen man eine weichere Gangart verlangt, haben es da schwerer. Alle weiblichen Feuerzeichen wie Widder, Löwe und Schütze werden in der Astrologie den männlichen Zeichen zugeordnet. Gerade die Widderfrau zeichnet sich durch eine manchmal rabiate Impulsivität aus. Ihre Tüchtigkeit erweckte früher eher Mißtrauen als Anbetung. Sie war entweder als Blaustrumpf oder Mannweib verschrieen.
Heute kommt den Feuerfrauen die Emanzipation entgegen, die ihre spröden Eigenschaften vorteilhafter ausleuchtet. Alice Schwarzer konnte sich als Schützefrau in dieser Bewegung bestens entfalten. Eine andere Widderfrau, eine Schulfreundin von mir, schön wie eine gotische Madonna, nahm nach dem Kunststudium eine Passage nach Brasilien und schlug dort einen erstaunlichen Lebensweg ein. Sie klinkte sich in das Hilfsprojekt einer Favela ein und arbeitet nun schon seit dreißig Jahren an der Umwandlung eines Elendviertels in eine mittelgroße Stadt mit befestigten Wegen, Werkstätten, Kindergärten, einem Krankenhaus und einem Theater. Heute leitet sie einen Hilfskonzern mit viertausend Mitarbeitern.
Was einen Widder zu Hilfe treibt, ist nicht Barmherzigkeit, das überläßt er den Wasserzeichen, sondern Neugier, Abenteuerlust und Tatkraft. Böse Zungen behaupten, eine Widder handle erst, bevor er nachdenkt. Der Effektivität schaden solche Motive nicht, im Gegenteil. In Krisenzeiten blühen alle Widder regelrecht auf. Daß er sich manchmal in betriebsamem Aktionismus erschöpft, hängt damit zusammen, daß ihn Routine entsetzlich schnell langweilt. Die ist nur Gedöns, wie der Widder Gerhard Schöder so treffend bemerkte.
Himmelsglobus 