Mit dem Krebs, dem Zeichen, in dem die Sonne noch bis zum 21. Juli steht, betreten wir eine verwirrende Sphäre. Die Herrscherin dieses Zeichens ist eine Göttin und das ist gut so. In allen anderen Sprachen ist der Mond weiblich, Selene im Griechischen oder Luna im Lateinischen. Im Deutschen dagegen ist der Mond männlich, was zu so bescheuerten Phantasien wie den Mann im Mond verleitete, worauf noch kein anderes Volk gekommen ist. Die Inder sehen in den Flecken des Mondes eine Häsin, was auf den Einfluß des Mondes auf die weibliche Fruchtbarkeit hinweist. Allen Völkern war der Zusammenhang des Mondes mit dem weiblichem Monatszyklus klar. Wenigstens der Dichter Georg Trakl hat versucht, unseren Trabanten im Deutschen als Möndin zu retten.
Es ist kein besonders ansehnliches Tier, das diesem Sternbild seinen Namen leiht, aber der Rückwärtsgang des Krebses schien den Griechen für das Geschehen am Himmel passender zu sein als die sumerische Schildkröte. Denn am 21. Juni erreicht die Sonne ihren höchsten Stand und scheint danach rückwärts zu gehen. Das Symbol des Krebses allerdings, nicht zu verwechseln mit der Abbildung des Tieres, ist eines der ältesten Zeichen der Welt, eine Art Spiralnebel, was uns ins Zentrum dessen führt, was der Krebs repräsentiert. Man findet diese Spirale an einer weiblichen Figurine aus der sechstausend Jahre alten Donaukultur zwischen den Beinen, am Ursprung der Welt. Dort, wo wir alle bei der Geburt unseren Anfang nehmen. Doch keinem Zeichen ist das so erinnerlich wie den Krebs- Geborenen.
Im Krebs, dem vierten Hause des Tierkreises, erleben wir nach dem Zwilling, der die Welt mit Neugier und Worten erkundet, ebenfalls eine Art Rückwärtsgang, zurück ins Innere. Wir betreten mit dem ersten Wasserzeichen die ziemlich undeutliche, rätselhafte Welt der unkontrollierbaren Gefühle und Erinnerungen. Traditionell steht der Krebs und sein Haus für die Herkunft und Abstammung. Auch sie ist mütterlich bestimmt, denn sie ist unzweifelhaft.
Wir betreten das Reich der Mütter und zwar mit gehörigem Respekt. Alle Krebse hängen an ihren Müttern. Auch wenn es Drahtmütter sind, denn sie sehnen sich nach der Geborgenheit, dem beruhigenden Rhythmus im Mutterleib, nicht nach bestimmten Personen. Ein Krebs-Autor wie Marcel Proust betrachtet die Kindheit als verlorene Zeit, nach der er in vielen Seiten auf verschlungenen Wegen sucht. Krebsgeborene fallen auch durch ihre mäandernde Redeweise auf, eine halbe Geschichte führt zur nächsten und wenn man glaubt, sie hätten den Faden verloren, taucht unvermutet die erste Erzählung wieder auf. Es lohnt sich also, zuzuhören.
Andere Krebsgeborene suchen die Geborgenheit des Pränatalen. Der Philosoph Peter Sloterdijk zum Beispiel, seines Zeichens Krebs, zeigt sich von den Schwarzwaldhäusern tief beeindruckt: “Gluckenhäuser […] Behütet in der höchsten Potenz, geborgen wie am siebten Tag der Schöpfung, daß man stehen bleiben möchte und sagen ‘Angekommen'”. Er ist wohl auch der einzige Philosoph, der so etwas wie eine Gynosophie entwickelt hat. Immer wieder interessiert er sich in seinen Schriften für die geheimnisvollen vorgeburtlichen “Erfahrungen”.
Doch so mancher Krebsmann geniert sich für das sentimentale Sehnen nach Geborgenheit, er kompensiert mit Sicherheit. Exemplarisch mag dafür der Krebs und Innenminister Otto Schily stehen, der seinerzeit die Bundesrepublik mit einem rigiden Netz von Verboten überzog. Krebsmänner zeigen gern ihre harte Schale und manchmal sind sie unerträglich arrogant. Man kann sie nur bei ihrer Fürsorglichkeit packen. Die Zeit des Krebses ist auch die Zeit der Fülle, die er gerne mit Anderen teilt. Er ist ein hervorragender Gastgeber und ein leutseliger Wirt. Das gilt für beide Geschlechter.
Am 1. Juli um 4:06 gab es einen Vollmond, der gleißte wie ein Flutlichtscheinwerfer. Die Nacht war so hell, wie der Mittsommer im Norden, wo übrigens zur Sonnwendfeier mit Genuss Mengen von Flußkrebsen verspeist werden. In solchen Nächten spürt man die magnetische Anziehungskraft der Möndin, die sie vor allem auch ihren weiblichen Planetenkindern mitteilt.
Die Weichheit des Krebses steht den Frauen gut. In ihrer kindlichen Zartheit liegt die große Verführungskraft von Krebsfrauen, die sofort den Beschützerinstinkt von dummen, starken Männern weckt. Der große Erfolg von Angela Merkel bei den mächtigen Staatsmännern rührt auch daher, mit dem Ergebnis, daß sie regelmäßig unterschätzt wird. Die Bezeichnung “Mutti” mag ein Journalist höhnisch in die Welt geworfen haben. Die Mehrheit der Deutschen aber fühlt sich mit “Mutti” wohl.
Für die Krebsfrau gilt, was mir mal ein Freund gesagt hat, besonders: “Frauen mögen ihre Ansichten ändern, aber nie ihre Absichten.” Die Intention der Krebsfrauen aber ist das Mütterliche. Nicht, daß sie unbedingt selber Mutter werden wollen, aber sie hängen mehr als andere Zeichen oft an der eigenen Mutter. Werden sie selber Mutter, findet sich der Erzeuger nach Beendigung des Fortpflanzungsprogramm überrascht als Zahlmeister wieder. Das klingt berechnend und ein wenig herzlos, ist aber der effizienten Logik der Natur geschuldet. Die Krebsfrau ist sehr verführerisch, aber eben nicht als Selbstzweck und nicht aus Eitelkeit. Und sie bekommt fast immer, was sie will.
Die schöne Luna stammt aus dem wunderbaren Buch von Dieter Blume: “Regenten des Himmels”

Wieder herrlich, Liebes. Ich leider gerade an einer schwachen Magendarm Geschichte und muss dazu auch noch schreiben. Die gehen aber meistens schnell wieder weg. Ich hoffe dir geht es gut. Umarmung deine Liesel
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