“Schöner noch als der beachtliche Mond ist die Sonne,” dichtete einst Ingeborg Bachmann, ihres Zeichens Krebs, nicht ohne Neid. Kommt man aus dem doch etwas dunklen, verworrenen Bereich des Nachthimmels mit seinen Träumen und Albträumen hinaus in die Sonne, dann grüssen Glanz und pralles Leben. Juli und August sind die kaiserlichen Monate. Die im Tierkreiszeichen des königlichen Tieres Löwen Geborenen, zeichnen sich denn auch durch ein besonderes Selbstbewußtsein aus. Der Herrscher dieses Zeichens ist die Sonne. (Wir wollen jetzt nicht mit der leidigen Diskussion über das heliozentrische Weltbild anfangen. Die Astrologie ist keine Wissenschaft, sie ist Charakterologie, deshalb muß sie auf die archaischen Signale aus dem Stammhirn achten.) Die Sonne schenkt Leben und versengt es auch, sie gibt und nimmt wie ein absolutistischer Herrscher. Nicht umsonst schmücken sich viele Adelshäuser mit dem Löwen in ihrem Wappen, obwohl sie mit ihrer Clan-Mentalität eher den Stieren entsprechen.
Löwen sind sagenhaft beliebt. Als der Löwe Cecil heimtückisch abgeschlachtet wurde, brach weltweit ein Sturm der Empörung aus. Der Jäger, ein amerikanischer Zahnarzt, bekam Todesdrohungen. Juan Carlos dagegen, der einen Elefanten als Trophäe präsentierte, war nur peinlich.
Die im Tierkreiszeichen des Löwen Geborenen sind irgendwie immer erfolgreich. Der Löwe Alexander Tsipras erweckt Sympathie bei Freund und Feind. Wenn ihn die böse Troika, inzwischen Quadriga, jagt, leidet halb Europa mit ihm. Einen Löwen jagt man nicht. Er ist schließlich selbst ein gefürchteter Jäger. Manchmal aber verschluckt er sich auch an seiner Beute, wie sich der Löwe Napoleon an Rußland verschluckt hat. Interessant sind die Darstellungen von Napoleon auf seinem weißen Pferd, das immer so feurig dahinsprengt. Doch dessen aufgerissenen Augen könnten auch schiere Panik bedeuten. Kein Wunder, sitzt dem Beutetier doch das Raubtier im Nacken.
Ein löwegeborener Schriftsteller klagte einmal, er brauche dringend Geld. “Ich lebe nämlich über meine Verhältnisse”, erklärte er mit griechischer Unbefangenheit. Dieses Zeichen liebt den Luxus über alles, das gute Essen, die schweren Samtbordüren, die schönen Männer respektive Frauen, das Gold nicht nur der Sonne. Und meistens bekommt er, worauf er seine Pranke legt. Denn es scheint ihm angemessen. Neben dem Schützen ist er allerdings auch das großzügigste Zeichen. Ein Mensch in Not findet bei ihm oder ihr immer ein warmes Kuscheleckchen. Allerdings haben die gutmütigen Löwen den Geretteten dann auch am Hals, und auf die Dauer widerspricht das ihrer Unabhängigkeit.
Die manchmal schneidende Arroganz des Löwen hat nichts mit kaschierter Unsicherheit zu tun. Mit seiner Überheblichkeit fühlt er sich völlig im Recht. Auch die Löwinnen leben ohne Selbstzweifel und im Einklang mit sich selbst. Ihre Haltung ist beneidenswert aufrecht, frei und kätzchenhaft elegant. Das Gegenzeichen zum Löwen, der Wassermann, zeigt dieselbe Unabhängigkeit, aber der Wassermann interessiert sich für Ideen, der Löwe für Menschen. Er hungert nach Erlebnissen. Und so stürzt er sich in jeden Rummel, aber nicht wie der Zwilling aus Neugier, sondern um den Raum zu beherrschen. Der Salonlöwe ist sprichwörtlich. Er wird auch die ihm gebührende Sympathie und Aufmerksamkeit bekommen. Doch wenn er übertreibt, rutscht er ins Manische ab, und dann ist es schwer, mit ihm mitzuhalten. Wenn alle schon hinter ihm ermattet unter die Tische gesunken sind, dann legt er noch ein Feuerwerk hin und ein hübsches Mädchen eher en passant flach. Löwen, und das gilt für die Frauen gleichermaßen, sind charmante Verführer, aber nicht, weil sie die Menschen so sehr lieben, sondern wegen ihres ausgeprägten Jagdtriebes. Womit man einen Löwen immer fesseln kann, ist lässige Unerreichbarkeit. Das gilt zwar für alle Männer, aber hier trifft es auch auf die Frauen zu.
Man erkennt einen Löwen an seinem, wie Wolfgang Döbereiner das so schön formuliert hat, Savannenblick. Dieser schweift gleichgültig in die Ferne, aber wenn ihn etwas interessiert, und das ist meistens die Beute, “dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannten Stille – und hört im Herzen auf zu sein.” Aber das gilt nur für die gefangene Großkatze, denn Rilkes Bild hört natürlich nicht auf im Herzen des Löwen zu sein, sondern wird darin höchst lebendig. In der astrologischen Tradition steht sein Haus für Liebe, Kinder und Spiel. Als Anwälte wollen sie gewinnen, als sei eine Gerichtsverhandlung ein Jackpot, den man knacken muß. Auch aussichtslose Fälle sind willkommen, so wie der von Erich Honecker, den ein Löwe-Anwalt bravourös nach Chile expediert hat.
Die abgebildete Marmorstatuette stammt aus dem 2. Jahrhundert und war Teil eines Mithrasheiligtums in der Nähe von Sidon. Philipp Mettman hat sein Buch “Mythos und Schicksal” mit ihr illustriert. Der “löwenköpfige Chronos” stellt nach Mettmans Interpretation Herakles dar, der nicht nur den nemeischen Löwen erwürgte, sondern auch die lernäische Schlange tötete. Die tierischen Instinkte sind ihm dadurch äußerlich und beherrschbar. Für Mettman ist das die Lebensaufgabe des Löwen. Damit erhebt er einen moralischen Zeigefinger. Doch den sieht ein Löwe nicht so gern.