Das Liebenswürdige zu bewundern ist leicht. Wenn es allerdings nicht offensichtlich ist, sondern erst entkleidet werden muß, ist es mit der Leichtigkeit vorbei. So ist es auch mit dem Saturn, dem strengen Planetenherrscher des Steinbocks. Dieses Zeichen begleitet uns bis zum Jahresende, aber eben auch ins neue Jahr. Um Saturns schöne Seite zu entdecken, hilft ein Blick auf die Feste, die zu Ehren dieses Gottes gefeiert wurden. Die Saturnalien waren eine exzessiv ausgelassene Veranstaltung. Die Verhältnisse wurden auf den Kopf gestellt: Die Herren bedienten die Sklaven, die Askese schlug in Völlerei um, die Schatzkammern wurden für jeden geöffnet, Geschenke verteilt, Freunde und Feinde lagen sich in den Armen. Dann brach für ein paar Stunden das goldene Zeitalter an.
Wenn die eurozentristische Welt Silvester feiert, kann man einen schwachen Abglanz davon erleben. Weihnachten gehört der Familie, aber an Silvester lädt man sich Freunde ein und auch Einsame, die man noch nicht kennt. In dieser Nacht, wenn das alte Jahr stirbt und dafür steht Saturn, der eisgraue Mann mit der Sense, wird das neue Jahr geboren. Dann zeigt der finstere Gott sein anderes Gesicht: jugendschön, freundlich und voll glänzender Möglichkeiten. Gute Vorsätze werden gefaßt, alte Laster vertrieben und junge Hoffnungen blühen auf. Janus, der dem Januar seinen Namen gibt, ist die die doppelgesichtige Maske der Saturns. Er sieht nach hinten und gleichzeitig nach vorne.
Bei keinem anderen Zeichen fallen Gegensätze so innig zusammen, wie bei den Planetenkindern des Saturn, den Steinböckchen. Eine kleine präzisierende Abschweifung möge man mir hier erlauben. Sie betrifft den Aszendenten, der die Perönlichkeit mindestens ebenso stark prägt wie der Stand der Sonne. Er richtet sich nach der Uhrzeit und dem Geburtsort und vermittelt den ersten Eindruck, den ein Mensch auf uns macht. Mag also jemand mit einer zurückhaltenden Sonne im Steinbock geboren sein, wenn sein Aszendent in den Löwen fällt, ist sein Auftritt stets vom Glanz und der leicht herablassenden Würde dieses Zeichens begleitet. Wie uns das Gregor Gysi so gerne vorführt. Und umgekehrt: Eine Löwe – Sonne wird von einem Steinbockaszendenten in ihrer Vitalität immer etwas verdunkelt. Und das sind nur die ersten 144 Grundfarben in der reichen Palette des Horoskops.
Saturn, er steht ja in jedem Horoskop irgendwo anders, ist der Planet, an dem sich der Geborene abarbeiten muß. Er ist ein Hüter der Schwelle. Und er zeigt mit seinem dürren Finger auf den Punkt, an dem der Geborene etwas zu lernen hat. Die unangenehmen Seiten des Planetengottes sind: Geiz, Sturheit und Rechthaberei, Pedanterie, die ans Lächerliche grenzt, die Leidenschaft zu maßregeln, Ängstlichkeit und Hypochondrie. Aber diese Eigenschaften können sich wandeln. Der Geiz in eine doch höchst lobenswerte Sparsamkeit, Sturheit in bewundernswerte Beharrlichkeit. Pedanterie ist in Gesetzesvorlagen und Verträgen geradezu notwendig. Einen Platz mit Mauern voll zu stellen, mag grauenhaft sein, ein ödes Brachland in eine gefällige Form zu bringen, ist dagegen Ausdruck zivilisatorischer Tugend. Rechthaberei kann den Grundstein für ein umfassendes Wissen legen. Und ist Regelmäßigkeit nicht das Credo jeder gelungenen Pädagogik? Vorsicht war immer schon die Mutter der Porzellankiste, und jeder gesegnete Heiler sollte sich doch gründlich mit allen Krankheiten vertraut machen.
All dieses schönen Seiten verleiht Saturn auch seinen Kindern, die zum Jahresende und nach vorne blickend, zum Jahresanfang Geburtstag haben. Oder wie Philip Metman es so schön zusammenfaßt: “Es lebt in diesen Charakteren (den steinböckischen) eine unromantische Liebe zu den Widersprüchen des Lebens, die ihnen die Kraft gibt, die erschreckenden Wahrheiten der brutalen Realität zu schauen, ohne zu erzittern, und ihnen die höchsten Ideale entgegen zu setzen, ohne sich in Träume zu flüchten oder zu verzweifeln. Sie tragen eine Art von heiligem Zynismus und eine realistische Phantasie in sich.”