Das Bild zeigt die verschlungenen Planetenbewegungen nach den Berechnungen des Astronomen Tycho de Brahe. Doch so beschwingt fröhlich, wie sich der Barock den Himmel vorgestellt hat, ging’s auch damals dort nicht zu.
Zur Zeit herrscht allerorten eine geradezu kreischende Agression. Die Angst geht um, der Terror grinst um jede Ecke, die Reichen werden immer reicher, die Armen bleiben arm, ganze Mittelschichten brechen weg und das überall auf der Welt. Flüchtlingswellen schwappen über den Globus, die Deutschen sterben aus und die Apokalypse klopft an die eloxierte Tür des Biedermannes. Die nüchterne Wirklichkeit, gemessen an der Vergangenheit, sieht anders aus. In Deutschland geht die Kriminalitätsrate zurück, die Jugendvergehen haben sich halbiert, der Sozialstaat funktioniert immer noch, und obwohl der Bundestag angesichts der Probleme seit drei Jahre prokrastiniert, ist immer noch keine Katastrophe in Sicht. Auch mit der Welt insgesamt steht es nicht so schlecht, trotz schlechter Nachrichten. Die Kriegstoten erreichen schon lange nicht mehr die Zahlen des 20. Jahrhunderts. No-Go -Areas verwandeln sich in friedliche Öko-Städte, wie zum Beispiel die einst berüchtigte Drogenstadt Medellin.
Die Astrologen allerdings schauen seit Juni 2012 schon stirnrunzelnd in ihre Ephemeriden. Damals standen die Planeten Uranus und Pluto zum ersten Mal in einem exakten Quadrat zueinander. Was bedeutet das? Die Astrologie ist ein geometrisches Modell, ein Kreis, eingeteilt in 360 Grade. Je nachdem, in welchem Winkel die Planeten zueinander stehen, die sich natürlich ständig bewegen, bilden sie Beziehungen, die oft hochproblematisch sind. Wenn zwei Planeten innerhalb dieses Kreises in einem 90 Gradwinkel zueinander stehen, nennt man das ein Quadrat, was sich ja auch schon irgendwie querulantisch anhört. 180 Grad ist eine Opposition, die wie im richtigen Leben zu den mühsamen Aspekten gehört. 120 Grad bildet ein Trigon, was angenehm zu werden verspricht. Es gibt auch die Konjunktion, quasi ein Paar, das sich an den Händen faßt. Ob das friedlich wird oder nicht, hängt von den einzelnen Partnern ab. Saturn und Mars zum Beispiel können sich überhaupt nicht ausstehen. Wenn die beiden sich an den Händen halten, stürmt der eine vorwärts und der andere steigt sofort auf die Bremse. Das Geschehen am Himmel spiegelt ja auch die Intrigen, die Bündnisse und die Kämpfe der olympischen Götter.
Seit Mai 2013 ist diese explosive Konstellation mal enger, mal weiter. Das liegt an der Langsamkeit beider Planeten und an ihrer zeitweiligen Rückläufigkeit. Erst im Februar 2016, also jetzt bald, entfernt sich der schnellere Uranus aus dieser Konstellation und Pluto bleibt zurück.
Das letzte Mal hatten wir dieselbe Konstellation 1929 während der Weltwirtschaftskrise. Uranus stand damals im Widder und Pluto im Krebs, sie bildeten ebenfalls ein Quadrat. Auch damals arbeiteten sie an ihrem Zerstörungswerk Hand in Hand. Der Krebs steht für die Heimat, die Geborgenheit. Wenn Pluto, der große Neinsager, daran nagt, dann verlieren die Menschen ihre Häuser, ihren Grund und Boden, wie während der großen Depression im Amerika der dreissiger Jahre. Derzeit hält sich der Pluto gegenüber vom Krebs im Steinbock auf. Dieses Zeichen steht für das Gesetz, nicht für das Recht, –– dafür ist die Waage zuständig. Aber es steht auch für das Knochengerüst und klare Strukturen. Wenn das Gerüst klapprig ist, die Strukturen verworren, Gesetze, die nicht mehr zeitgemäß sind, und seien es die der Bürokratie, dann arbeitet Pluto daran wie eine Abrißbirne. Nur was sich in diesen Krisenzeiten bewährt, was wirklich Bestand hat, bleibt erhalten.
Aber es könnte doch auch Freude machen, wenn die Not endlich zum Handeln zwingt. Das LaGeSo in Berlin ist ja durch die Flüchtlinge nicht schlechter geworden. Es war immer schon grottenschlecht, es hat ja nur keiner gemerkt. Eine Institution, bei der die Belegschaft sich zu fünfzig Prozent krank meldet, würde man eher in Italien vermuten, als im preußischen Berlin. Ein privater Betrieb könnte da ganz zumachen. Der Uranus im Widder wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger. Denn das Zeichen wird vom Mars beherrscht und der versteht keinen Spaß. Aber während der Pluto an morschen Strukturen nagt, bringt der Uranus auch immer was Neues, das hat er oft bewiesen. Für ihn ist das Ausland die Vergangenheit und die Zukunft seine Heimat. Beide Planeten machen Angst. Der eine läßt keinen Stein auf dem anderen und der andere bringt etwas Neues, das man noch nicht kennt.
Die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre hatte in Deutschland verheerende Wirkungen. Sie traf ein vom Weltkrieg ausgeblutetes Land, eine junge Demokratie und verzweifelte Menschen, die sich nach etwas Neuem sehnten. Der Uranus im Widder brachte damals auch viel Neues. Es sollte sich alles ändern. Heute dagegen trifft diese Konstellation auf ein reiches Land und eine stabile Demokratie. Also, wird schon nicht so schlimm werden! Oder um es mit Karl Valentin zu sagen: “Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war.”
Zu schön. Ganz herrlich. Mehr, mehr, mehr.
>
LikeLike