Himmelsglobus

Das Elend mit dem Kalender

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“Es macht viel aus, welche der Sterne dich grüßen, während du eben den ersten Schrei ausstößt, noch rot von der Mutter.” (Übersetzung Durs Grünbein) Für den römischen Dichter Juvenal fällt noch ganz selbstverständlich der erste Schrei mit einer astrologischen Konstellation zusammen. Und die gründet in der Mythologie: Rot ist die Farbe des Blutes und die Farbe des Planeten- und Kriegsgottes Mars, der noch im Monatsnamen März durchfunkelt. Aller Anfang ist energisch. Deshalb beginnt das Jahr für den Tierkreis wie für den Römer im Zeichen des Widders, dessen Regent der Mars ist. Übrigens auch die Perser feiern Neujahr im März. Andere Datierungen sind willkürlich, der Biographie äußerlich und dehnbar wie die Uhren des Surrealismus.

Die verschiedenen Religionen und Kulturen zählen die Monate und Jahre auf ihre Weise. Die gregorianische, die jüdische und die moslemische Zeitrechnung gelten auch heute noch gleichermaßen. Unser Kalender dagegen war ein selbstherrlicher Kraftakt der römischen Kaiser. In den Monatsnamen Juli und August preisen sich Julius Caesar und Augustus. In dem stolzen Bewußtsein, daß nach dem Erhabenen nichts Nennenswertes mehr komme, hat er die folgenden Monate nur noch mit dürren Zahlen belegt. Also September, der siebte bis Dezember, der zehnte Monat. Mit dem Zeitmaß des Tierkreises haben unserer Monate schon längst nichts mehr zu tun. Die heutige Datierung wurde von gelehrten Mönchen ausgetüftelt, um den Zeitpunkt der Auferstehung ihres Herrn auf Ostern, dem jüdischen Pessach, legen zu können.

Das Sonnenjahr, das sich astronomsich an den Equinoxen orientiert, und dem auch die Zählung des Tierkreises folgt, tauchte nur noch einmal, merkwürdig verkleidet, in der neueren Geschichte auf. Am 22. September, der Tag und Nachtgleiche im Herbst, begann die Zeitrechnung der Ersten französischen Republik. Dem Revolutionskalender waren nur 13 Jahre beschieden. Er hat allenfalls in der Literatur, im 18. Brumaire von Karl Marx, überlebt. Die Monatsnamen, die sich der Konvent damals ausgedacht hat sind sehr klangvoll: Vendemaire, Brumaire Frimaire im Herbst, Nivose, Pluviose, Ventose im Winter, Germinal, Floreal, Prairial im Frühling und Messidor, Thermidor, Fructidor im Sommer.

In der deutschen Übersetzung allerdings verlieren sie an Charme und verraten ihren Rousseauschen Drang: zurück zur Natur! Vom Wein -, Nebel – und Raureifmonat geht es metereologisch weiter mit Schnee, Regen und Wind. Mitte März keimt es, dann blüht es, und kurze Zeit später stehen die Wiesen im vollen Saft. Doch auch der Handel hat seine Zeit im Juni, Juli. Im Thermidor, also im Juli, August, in der Hitze des Sommers, fährt Frankreich, übrigens auch heute noch, geschlossen in die Ferien. Eigentlich müßte der Monat Vacance heißen. Der Obstmonat greift wieder auf Naheliegendes zurück.

Dieser Kalender ist verwelkt und verweht. Geblieben ist ein Planet, den Sir Herrschel zur Zeit der französischen Revolution entdeckt hat: Uranus. Mit ihm taucht ein alter griechischer Gott aus dem Orkus wieder auf, den die Astrologen zum Herrscher des Wassermanns gekürt haben. Er wird auch als Revolutionsplanet bezeichnet. Unklar bleibt, warum? Wegen seiner Nähe zu diesem Ereignis oder wegen seiner Purzelbaum schlagenden Umlaufbahn. Oder ist das Eine nur der Ausdruck des Anderen?

 

 

This entry was published on December 1, 2015 at 1:25 pm. It’s filed under Sternzeichen and tagged , . Bookmark the permalink. Follow any comments here with the RSS feed for this post.

2 thoughts on “Das Elend mit dem Kalender

  1. elisbeth von molo's avatarelisbeth von molo on said:

    Super. sehr interessant. Danke.

    Dein Liesel

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  2. Dominik's avatarDominik on said:

    Frohes Neues!

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